Buch: Der Steinzeitmensch in uns 

Wie uralte Programme uns unbewusst steuern, wir aber trotzdem zivilisiert sein können.

Der Mensch hält sich zwar für intelligent, aber seine alten Gehirnteile bestimmen weiterhin Wahrnehmung und Verhalten, ohne dass uns das bewusst ist. Die Corona-Pandemie zeigt: Je mehr Ängste ins Spiel kommen und je schlechter wir uns seelisch fühlen, desto mehr greift unser Gehirn auf althergebrachte unvernünftige Verhaltensmuster zurück, Verstand und Vernunft sind schnell dahin und machen der aggressiven Suche nach einem Sündenbock Platz, ganz wie im Mittelalter.

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Das erwartet Sie in diesem Buch

Techniken für mehr Kontrolle in Ihrem Leben

Lernen Sie Ihren Körper und Geist besser kennen und verstehen

Sinnvolles Einsetzen Ihrer Lebensenergie

Bringen Sie Ihr Leben wieder ins Gleichgewicht

Was die Leser sagen:

Schon lange hatte ich nach Wegen gesucht, aus dem Irrgarten psychologischer Herangehensweisen herauszufinden und auf für mich verständliche Zusammenhänge hin zu vereinfachen. Erst bei der Lektüre dieses Buchs ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist zu erkennen, wie das eigene Verhalten zustande kommt. Nun kann ich mich viel besser „von außen“ betrachten, mein Verhalten durchschauen und in jeder Weise verbessern. Dabei haben mir die vielen Beispiele sehr geholfen. Für mich faszinierend, auf wie schlüssige Weise sich Erscheinungen wie Glaube, Macht und Aggression im täglichen Leben erklären lassen.
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Die anschaulichen Diagramme lassen die sicher anspruchsvollen Rechnungen kaum ahnen und die lebensnahen Beispiele machen die Lektüre zu einem regelrechten Aha-Erlebnis. Und was, wenn diese Theorie irgendwann an ihre Grenzen stößt? Sie wird erweitert oder durch eine neue Theorie ersetzt, für einen Physiker völlig normal.

 

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Vorwort

»Lass es bloß sein«, meinte mein Freund Michael zur Idee dieses Buches, »du wirst nichts erreichen und keiner wird akzeptieren wollen, dass auch in unserer modernen Welt noch viele Verhaltensweisen denen des Neandertalers ähneln. Mehr Fakten, mehr Verstand, mehr Vernunft? Wie denn? Es läuft doch gerade umgekehrt: Was einer inhaltlich gesagt hat, ist wohl weniger wichtig, Hauptsache er hat eine gute Figur gemacht und mitreißende Emotionen gezeigt, wenn auch unreflektiert aus dem Bauch heraus und manchmal auf einem Niveau wie bei unseren Vorfahren vermutet! Glaubst du wirklich, du könntest dich gegen den immer emotionaler werdenden Mainstream stellen?«

Wahrscheinlich hat Michael recht. Aber ich finde, es ist einen Versuch wert.

Man muss nur bewusst hinsehen: Unser althergebrachtes Gehirn macht mit uns zuweilen schräge Dinge, schönt uns die Realität oder ängstigt uns, lässt uns nicht an die Zukunft denken und hindert uns sogar, konsequent zu handeln. Wer abnehmen will, kann ein Lied davon singen, was es heißt, sich mit Vernunft gegen sein eigenes Gehirn durchsetzen zu wollen und in einer Krise wie Corona setzt der Verstand oft ganz aus: Toilettenpapier und Hefe hamstern, Aufstände wegen Maskenpflicht und Abstandsgebot, Verwirrung, Ängste und die Suche nach einem Sündenbock.

Das ist kein Wunder: Steigende Stressbelastung, gesellschaftliche Unsicherheiten, Klimawandel, ungeregelte Migration, globale Naturzerstörung aber auch der wachsende Einfluss sozialer Medien und künstlicher Intelligenz brechen über unser Gehirn herein, das für solch schnelle Entwicklungen schlicht nicht gemacht ist. Die Natur hat den Menschen über Millionen von Jahren hinweg nach dem Prinzip Versuch und Irrtum geschaffen, ihre Lebewesen mit riesiger Streuung in Eigenschaften und Fähigkeiten auf den Markt des Lebens geworfen und gewartet, wie sie sich bewähren. Das ist eine Methode, die zwar auf längere Zeiträume gesehen durchaus erfolgreich war, bei der heutigen schnellen Entwicklung aber immer mehr Schwächen zeigt.

Nun stehst du da, Mensch, und fragst dich: Aber ich bin doch intelligent, daran sollte es nicht liegen? Auch weiß ich ja, wie enorm anpassungsfähig mein Gehirn ist, wie schnell es neue Sichtweisen entwickelt, sich auf beliebige Aufgaben einstellt und sich aufrüstet. Also an der Hardware liegt es auch nicht. Was fehlt mir, um die Möglichkeiten, die mir mein Gehirn bietet, wirklich zum Tragen zu bringen? Warum kann ich Dinge, die mir schon lange bewusst sind, trotz aller Einsicht nicht intelligent in die Tat umsetzen?

Intelligenz hin oder her – die ist ja auch nur ein Werkzeug, wie ein Hammer beispielsweise. Einen zu haben, heißt noch lange nicht, damit den Nagel auf den Kopf zu treffen. Irgendwie gelingt es dir einfach nicht, dich ganz bewusst selbst zu steuern und Dinge zu lassen, die dir kurz- oder langfristig schaden. Du bist dein Gehirn, hast aber wenig Ahnung davon, welche eigenen Interessen deine althergebrachten Hirnareale verfolgen, was sie dir verschweigen, wie sie dich manipulieren und trotz aller Fehler glauben lassen, deine Entscheidungen seien wohlüberlegt und dein freier Wille.

Und nicht nur das: Bereits bei der alltäglichen Aufgabe, aus deiner Wahrnehmung das bestmögliche Verhalten abzuleiten, weist das Gehirn eine ganze Reihe entwicklungsbedingter Schwachstellen auf: Unter starker seelischer Belastung verfälscht es deine Wahrnehmung, macht dir Angst und schaltet den in seiner Entwicklungsgeschichte erst spät installierten Verstand aus. Dann läuft alles bauchgesteuert, sozusagen mit Uraltprogrammen auf Autopilot: Du verlierst den Überblick, Aufgaben überfordern dich, erscheinen dir zu komplex, langfristiges Denken und Handeln rücken in weite Ferne, aktuelle Problemstellungen werden aufgeschoben, bis sie zur Krise angewachsen sind, dann folgt in Panik eine Überreaktion auf niedrigem Niveau.

Willst du mit deinem dermaßen von Stimmungen abhängigen Gehirn wirklich der Unsicherheitsfaktor für die Natur und dich selbst bleiben? Immer wieder die gleichen Fehler machen? Weil du einfach nicht anders kannst? Weil deine Verhaltensprogramme völlig veraltet sind? Ist künstliche Intelligenz (KI) die Rettung? Roboter die uns betreuen, beraten oder gar dominieren? Ist es nicht möglich oder sogar notwendig, dass sich nicht nur die KI weiterentwickelt, sondern auch der Mensch?

In diesem Buch wird ein Denk-Modell für menschliches Verhalten vorgestellt, mit dem Ziel, transparent zu machen, wie entwicklungsbedingte menschliche Schwachstellen zustande kommen und wie diese mit Verstand und Vernunft zu vermeiden oder zumindest zu entschärfen wären. – Notfalls auch mithilfe der KI.

 

 

Der Mensch, ein Bio-Algorithmus?

Im Gehirn findet sich zwar der größte Teil der Neuronen (Nervenzellen) konzentriert und durch den knöchernen Schädel gut geschützt, Neurone und ganze Neuronen-Netze finden sich aber auch als Niederlassungen rundum im Körper verteilt. Fast der gesamte Magen-Darm-Trakt wird vom enterischen Nervensystem durchzogen, das als eigenständiger Funktionsteil z. B. die Verdauung steuert und – falls nicht anderweitig beeinflusst oder gestört – sogar autonom arbeiten kann.

Eine Unzahl von Sensoren verteilen sich auf alle Körperregionen. Da sind nicht nur Augen, Ohren, Geruchs- und Geschmackssinn als primäre Sinne gemeint, auch die Hautoberfläche und das Körperinnere sind mit einer gewaltigen Zahl von Sensoren ausgestattet. Berührungen von sanftem Streicheln bis hin zu schmerzhaftem Druck werden ihrer Stärke entsprechend wahrgenommen. Temperatursensoren in der Haut lassen vor der heißen Herdplatte zurückschrecken und jedes kleine Härchen am Körper lässt auch den feinsten Luftzug spüren. Und wenn ein geblähter Darm Bauchschmerzen verursacht, mahnt er damit, in Zukunft nicht mehr so viel Apfelsaft auf einmal zu trinken. Niederdrückende Gedanken können als seelische Belastung auf den Magen schlagen, obwohl es ihm rein körperlich bestens gehen sollte.

Seelische Nöte oder unbewältigte Ängste setzen den Organismus also unter Stress, bringen ihn von seiner normalen Funktion ab und lösen auf Dauer körperliche und seelische Fehlfunktionen bis hin zum Burn-out aus. – Was jetzt? Alles beeinflusst alles. Wer hat nun das Sagen und bestimmt das Verhalten? Ist es der Körper, das gute Bauchgefühl, auf das manche schwören? Oder diktiert eine Seele das Vorgehen?

Auf den ersten Blick ist das verwirrend und es gilt, ein Gedankenmodell zu entwerfen, mit dem man sich mehr Überblick über die Abläufe verschaffen kann:

Angenommen dein Körper ist gesund, gut versorgt, fit und auch nicht hungrig, dann würden alle Organe gut koordiniert und automatisch arbeiten. Wenn alles in Ordnung ist, nimmst du kein Organ bewusst wahr: Der Herzschlag interessiert dich nicht, Magen, Darm, Leber, Nieren tun ihre Arbeit. Wärst du nun auch noch im seelischen Gleichgewicht, hättest keine unmittelbaren Probleme und keine offenen Bedürfnisse, die dich beunruhigen, dann wäre die Welt für dich und deinen Organismus rundum in Ordnung. Du fühlst dich also entspannt im Liegestuhl im Grünen und lässt die ganze körperliche und seelische Chose unbewusst auf Autopilot laufen, es gibt ja auch keinen Grund, sich Gedanken zu machen oder aktiv zu werden. Weil dein Gehirn Beschäftigung sucht, mag es sein, dass es dich sogar ein wenig kreativ herumspinnen lässt, was du noch alles tun könntest, z. B. Gleitschirmfliegen, einen Kochkurs machen oder endlich die Modelleisenbahn im Keller aufbauen. Du lebst im Hier und Jetzt mit kleinen Ausflügen in die Zukunft. Nach ausführlichem Chillen hantierst du, nun hungrig geworden, vielleicht in der Küche und schnippelst, von der Problemlosigkeit noch immer reichlich eingelullt, irgendein Gemüse, passt nicht auf und … schneidest dich nur ein ganz klein wenig in den Finger. Es blutet wirklich nur ein bisschen.

Blut zu sehen wirft deine bislang heile Welt nun schlagartig über den Haufen. Auf dieses kleine Schnittchen hin wirst du bereits chaotisch. Da du kein Blut sehen kannst, das eigene schon gar nicht, musst du dich extrem zusammenreißen, um nicht wegen dieser Lappalie umzukippen. Unversehens ergießen sich Stresshormone in dein Blut, dein Herzschlag beschleunigt sich, dein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen, deine Verdauung hält inne und du hast plötzlich ein ganz mieses Gefühl im Bauch – denn auch dein Selbstwertgefühl hat einen heftigen Dämpfer bekommen, weil du dich so blöd angestellt hast: Ich bin verletzt! Hilfe! Mit der Ausgeglichenheit ist es aus und vorbei und zu allem Überfluss fragt dich dein Verstand, warum du keinen Schutzhandschuh getragen hast, der schon lange griffbereit in der Schublade liegt, genau für solche Schussel wie dich konzipiert.

Um wieder runterzukommen, den seelischen Dämpfer auszugleichen und dich selbst zu trösten, genehmigst du dir nach dem eiligen Verpflastern einen doppelten Schnaps.

Ein zweites Mal rekelst du dich symbolisch im gleichen Liegestuhl, da drängt sich mit Macht ein beunruhigender Gedanke in dein Bewusstsein: War da nicht eine Rechnung, die du unbedingt termingerecht hättest überweisen sollen? Der Ärger, die Aussicht auf Mahnkosten und die Enttäuschung über deine Vergesslichkeit: Das hätte nicht sein müssen. Diesmal reagierst du nicht aus dem Bauch heraus, sondern es ist dein Verstand, der dir den Fehler anlastet. Trotzdem die gleiche Reaktionsfolge: Stresshormone im Blut und körperlich-seelische Reaktionen wie zuvor beim Schnitt in den Finger, aber diesmal mental ausgelöst.

Oder der Klassiker: Ein inneres Bedürfnis tritt auf. Du kannst chillen, so lange du willst, aber irgendwann wirst du zumindest Hunger bekommen. Spätestens wenn dein Magen knurrt, ist es aus mit deiner Ausgeglichenheit: Unruhe erfasst dich und du bist nicht mehr du selbst, wenn du Hunger hast. Wieder treten Stresshormone auf den Plan und aktivieren dich, um endlich Essbares zu beschaffen, deinen Hunger zu stillen und damit auch deinen Seelenfrieden wiederherzustellen. Erst danach kannst du in Ruhe wieder auf Autopilot schalten.

Man kann sich diese Abläufe modellhaft so vorstellen: Gleich, ob eine innere oder äußere Anforderung an deinen Organismus herantritt: Dein Körper mit seinen Organen, deine Seele und dein Verstand bilden ein extrem stark vernetztes Kontinuum nach dem pfiffigen Prinzip: Die Befehlsgewalt wandert immer dorthin, wo die größte Anforderung auftritt. Tut etwas ernsthaft weh, dominieren die Schmerzen die Verhaltensberechnung deines Algorithmus, beim Lösen eines Kreuzworträtsels führt er deine mentalen Fähigkeiten ins Feld und ein Hungergefühl bringt deinen Algorithmus dazu, seine Aufmerksamkeit der Beschaffung von Nahrung zu widmen.

Wie dein Organismus das macht? Die einfache Erklärung lautet: Ein Problem tritt auf, irgendein neuronales Netz in deinem Körper mit der passenden Fähigkeit fühlt sich angesprochen und holt sich die Priorität, indem es unterdrückende Impulse an die anderen Netze sendet. Ist die Aufgabe erledigt, das Problem also gelöst, ist das eben noch aktive Netz zufriedengestellt und regt sich wieder ab – keine blockierenden Impulse mehr, alles okay. Tritt nun ein weiteres Problem auf, kümmert sich das nächste sich zuständig fühlende Netz darum und beansprucht seinerseits die Priorität. Beispiel: In einer Prüfungssituation fließt alle Energie in die Bewältigung der gestellten Aufgaben, die Verdauung wird heruntergefahren, selbst Schmerzen zeitweise ausgeblendet. Ist die Prüfung vorbei, sind die Schmerzen wieder da.

Ist immer nur ein Neuro-Netz in Funktion? Manche Schlaumeier brüsten sich damit, nicht nur eine, sondern mehrere Aufgaben gleichzeitig bewältigen zu können. Multitasking nennen sie das. Dieses Gleichzeitig passt dem persönlichen Algorithmus aber so gar nicht in die gewohnt seriellen Abläufe – lieber schön eins nach dem anderen. Was macht er also in Wirklichkeit? Beim ersten Durchlauf erledigt der Gute die erste Aufgabe, beim nächsten eben die zweite. Dieses dauernde Umschalten kostet aber viel Energie, muss er doch eine weitere und höhere Ebene zuschalten, die sagt, wer an der Reihe ist, und sich merkt, was jeweils der letzte Stand war, an den man wieder anknüpfen muss. Der Algorithmus selbst hat dazu eine klare Meinung: Multitasking ist äußerst anstrengend und nichts von allem wird wirklich bestmöglich gemacht.

Natürlich kann man Auto fahren und sich gleichzeitig unterhalten. Aber bereits mit dem Handy zu telefonieren und sich dabei auch nur ein bisschen auf das Gespräch zu konzentrieren, bringt den Algorithmus in die Bredouille: Seine Aufmerksamkeit wandert zum Gespräch, eben dahin, wo er am meisten gefordert ist. Ein intensives Gespräch, am Handy oder mit der Beifahrerin, womöglich sogar ein heftiges Techtelmechtel oder ein Streit … jede Tätigkeit, die den Algorithmus stärker in Anspruch nimmt als die andere, verlagert dessen Rechenvorgänge zwangsläufig zum stärker beanspruchenden Thema. Das Autofahren an sich wickelt er nur noch mit Autopilot auf niedrigstem Level ab. Beim geringsten unvorhergesehenen Vorfall kann er dann nicht mehr schnell und schon gar nicht bewusst reagieren. – Bis umgeschaltet ist, hat es längst gekracht.

Der freie Wille

Nun will ich wirklich nicht so tun, als würde ich diesen Stirn- oder Schläfenlappen so gar nicht kennen, schließlich gehört er ja zu meinem Königreich, aber bisher nicht gerade zum Adel, viel öfter zu den Knechten. Jedenfalls kann ich mir das an ein paar Synapsen abzählen, wie oft der sich überhaupt mal bemerkbar gemacht, geschweige denn was Vernünftiges beigetragen hat.

Aber am Samstag auf der Feier? Wie kommt ein solch lascher Lappen dazu, mir in den Rücken zu fallen und im bereits weit fortgeschrittenen Lauf der Dinge noch das Steuer herumzureißen? Mir noch im letzten Moment Vernunft aufzuzwingen? Das sieht doch verdammt nach freiem Willen aus! Aber hier kann doch nicht jeder machen, was er will!

Eines muss ich zugeben: Mein Mensch hat eine liebe Algorithma, zwei süße Klein-Algorithmen, eine famose Behausung und einen guten Job. Er hat im Grunde alles, was man so landläufig anstrebt. Ein bisschen spießig allerdings, fehlt nur noch der Gartenzwerg im Vorgarten. Wäre da nicht so ein kleines spontanes Abenteuer gerade das Richtige gewesen? Ich habe doch bereits himmlischer Erwartung halber in Belohnungssubstanz geradezu gebadet! Was habe ich nicht alles versucht, habe ihm die junge Algorithma noch attraktiver und anschmiegsamer dargestellt und die Chancen eines eventuellen Entdecktwerdens bis auf null heruntergefälscht. Und dann dieser Rückzieher! Wie schade! Das tut richtig weh!

Dabei habe ich einen ganz bösen Verdacht: Der Lappen muss aufgerüstet und mich durchschaut haben, meine hinterhältige Strategie und meine doch so perfekte Illusion. Mit seinem bisher unscheinbaren Stirnhirn erarbeitet er sich plötzlich eine eigene Realität, gegründet auf Vernunft und Fakten, unabhängig von meinen Fälschungen. Dieser nunmehr intelligent gewordene Frontallappen ist viel näher an der objektiven Realität, als ich es mit meinen völlig veralteten Programmen je sein könnte. Leider gilt für mich seit Menschengedenken immer noch: Hier bin ich, mache Mist und kann nicht anders!

Wie stehe ich denn nun da? Als primitiver Realitätsverdreher, Lügner und Manipulierer! Zum Verrücktwerden! Meine erste Regung war natürlich, ihm das heimzuzahlen – also noch mehr fälschen, noch mehr hinters Licht führen? Einen Krieg um die Realität? Hier ich, mit meinen Millionen Jahre alten nicht mehr zeitgemäßen Programmen und meiner verdammten Abhängigkeit vom seelischen Pegel, dort die mit jeder Erfahrung und Einsicht wachsende Performance dieses cleveren Stirnhirns? – Keine Chance. Zum Glück hatte ich einen guten Tag und habe mich noch besonnen. Ich will ja nicht wirklich einen offenen Krieg Autopilot gegen Verstand, wo wir doch im gleichen Boot sitzen. Ich habe mich also entschlossen zu kooperieren und die Impulse dieses Spielverderbers fortan ernster zu nehmen und stärker zu berücksichtigen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht weiterhin das Heft in der Hand behielte. Glaube ich jedenfalls. Früher waren das seltene Ausnahmen, wenn ich den Lappen mal ein bisschen habe mitspielen lassen.

Wenn es mal hart auf hart ging, hätte ich es früher nie zugelassen, dass dieser Lappen mir dazwischenfunkt und sich in meine Entscheidungen einmischt, aber heute? Wenn mein Mensch genügend seelische Energie erwirtschaftet hat und im seelischen Gleichgewicht ist, dann kann ich ihm doch mit Fug und Recht auch ein bisschen Vernunft und im engen Rahmen auch ein wenig freien Willen zugestehen.

So ganz frei ist dieser Wille ja sowieso nicht, denn was heißt schon frei? Auch ein noch so freier Wille kann nicht aus seiner Haut heraus. Denn was will er denn? Doch wieder mehr Spielraum, um an seelische Energie zu kommen, vielleicht auf intelligentere Weise, als ich es könnte, und weniger durch schiere Dummheit verlieren. Deshalb hat er mich bei meinem Drang zum Techtelmechtel so krass ausgebremst: Wegen der Spätfolgen. So weit hätte ich im Eifer des Gefechts nie und nimmer gedacht.

Ziele

Nun, nachdem ich mich mit dem Vorderlappen meines Menschen versöhnt und sogar angefreundet habe, kann ich das Buch mit einem Resümee abschließen und die Ziele benennen, die sich am Ende unserer Überlegungen herauskristallisieren. Verzeihe mir bei diesem Unterfangen den kleinen Trick, dass nicht ich selbst als Algorithmus, nicht der Lappen und auch nicht unser Mensch sich hier äußern, sondern wir dies an eine KI als so unabhängige wie unbestechliche Beraterin übertragen haben. Schließlich soll eine solche Präsentation nicht von emotionalen oder ideologischen Stimmungen und Vorurteilen verwässert oder verfälscht werden. Nebenbei soll uns dies auch vor hoch emotionalen, giftig-haltlosen Kommentaren, üblen Verleumdungen, bedrohlichen Nachstellungen, wenn nicht gar tumber Gewalt schützen. Begründete Argumente hingegen würden wir nur zu gerne annehmen. Die KI hätte also, gänzlich unabhängig von uns, Folgendes zu empfehlen:

Oberstes Ziel ist das Verringern der Weltbevölkerung insgesamt sowie die Einwohnerzahl in den Städten auf einen menschen- und naturverträglichen Wert. Wie das zu bewerkstelligen wäre, hat unsere KI aus Gründen der Selbsterhaltung nicht dazugesagt, doch würde es früher oder später nicht zu vermeiden sein, denn in einer bezüglich beider Geschlechter höher entwickelten Gesellschaft würde sich dies von allein ergeben, meint die KI, da durch ihre wachsende Teilhabe an beruflichem und öffentlichem Engagement und weiteren Betätigungsfeldern Frauen zukünftig weniger Kinder hätten, die allerdings viel höhere schulische und soziale Ausbildung genießen würden.

Wichtig wäre auch intensive Forschung, wie man das auf permanentes Wachstum angewiesene Wirtschaftssystem des Kapitalismus mit seinem fortlaufenden Ressourcenverbrauch vor dem Zusammenbruch bewahren könnte, indem man den Kapitalismus heutiger Form durch eine makro-ökonomische Transformation in eine echte Kreislaufwirtschaft überführt. Insgesamt also eine strategische Wende von der Masse zur Klasse. – Weniger Menschen insgesamt auf der Erde, diese aber mit besserer Bildung, sozialer Haltung und Verantwortung gegenüber der Natur.

Daraus folgt dann der Übergang von einem materiellen Wachstum in einen Zuwachs an Lebensqualität, um durch höhere Effizienz aus den materiellen Grundlagen möglichst viel seelische Energie zu schöpfen. Eine garantierte Grundfinanzierung reicht dazu nicht aus, sie kann lediglich Basis, aber keine Garantie für genügend seelische Energie sein. Es bleibt Sache jedes Einzelnen, sich anzupassen und genügend Quellen an seelischer Energie zu erschließen. Es geht um sinnvolle Arbeit für alle und mehr seelische Energie durch Vertiefen in die Lebensbereiche und weniger durch flaches Abgrasen zu gewinnen. Von allen getragen steigt der seelische Pegel der Gesellschaft insgesamt.

Bei allem Streben nach persönlichem Geld und Glück, muss es zukünftig Teil des Lebenssinns sein, die Natur wiederherzustellen, sie zu pflegen und zu bewahren.

Als Voraussetzung jeder Strategie und Zukunftsvision gilt: Zurück zu Realität und freier Meinungsäußerung, Schluss damit, Andersdenkenden den Mund zu verbieten, Wörter und Ausdrücke aus dem Wortschatz zu verbannen und aus dem Zusammenhang gerissene, geschönte oder alternative Fakten und ideologisch gefärbte Informationen durch Medien und Internet zu verbreiten.

Insbesondere meint die KI, es könne doch nicht so schwer sein, jeden öffentlichen Auftritt, auch im Internet, streng zu personalisieren. Damit meint sie wohl, dass jeder, um ins Internet zu gelangen, eine eindeutige persönliche Identifikation vorweisen müsste und dadurch seine Einträge auch nachvollziehbar zu verantworten hätte. Grundlage dafür wäre natürlich entsprechendes Vertrauen in die Regierung, läge es doch nahe, solch personifizierte Daten zu missbrauchen.

Dies ließe sich dadurch unterstützten, dass die Transparenz für den Bürger durch eine öffentlich nach wissenschaftlichen Grundsätzen arbeitende vierte Macht als nachvollziehbare Grundlage politischer Entscheidungen massiv erhöht wird. Ein fachlicher Stirnlappen für Regierung und Parlament sozusagen.

Die politische Diskussionskultur muss ebenfalls upgegradet werden: Weg mit den das eigentliche Thema vernebelnden nichtssagenden Emotionen im politischen Geschäft, sondern Vorgehen wie in der Wissenschaft: Es wird ein auf Fakten gegründeter Vorschlag präsentiert. Dann gibt es kein Das gefällt mir nicht, das lehne ich ab, sondern nur noch ebenso fundierte Gegenvorschläge. Nur auf diese Art kann man erfolgreich diskutieren und gute Lösungen finden.

Sinnvoll wäre auch eine Aufarbeitung der geschichtlichen Vergangenheit mit dem Ziel, die Ursachen demokratie- und menschenfeindlicher Auswüchse und Fehlentwicklungen nach links und rechts herauszuarbeiten und in der aktuellen Lage politisch so zu steuern, dass neuerliche Entgleisungen durch gesellschaftliche Rahmenbedingungen verhindert werden. Die Entscheidung zwischen Gemeinsinn oder fortschreitendem Individualismus ließe sich damit auch besser treffen, z. B. im Rahmen einer öffentlichen Diskussion über die Positionierung des mündigen Bürgers zwischen Engagement und Übernahme von Verantwortung für die Gemeinschaft einerseits und egoistischer Individualisierung andererseits.

Unumgänglich ist laut der KI der Umstieg auf eine noch weiter zu entwickelnde ökologische Landwirtschaft, z. B. ohne Pestizide. Im Zuge des Klimawandels ist mit der Notwendigkeit flächendeckender künstlicher Bewässerung zur rechnen. Die künftigen Erträge werden nur für eine geringere Anzahl zu versorgender Menschen ausreichen. Die Menschheit muss zusammenrücken und sich auf eine Wassermangel-Wirtschaft einstellen, die sie gemeinsam meistert, denn Trinkwasser wird ein hohes, wenn nicht gar das höchste Gut werden und muss bewahrt und geschützt werden. Wasser-Recycling und künstliche Speicherung wird notwendig werden. Alle verfügbaren Flächen müssen mit an den Klimawandel angepassten Wäldern systematisch als Wasserspeicher aufgeforstet werden, sie dienen auch höchst wirksam zur Bindung riesiger Mengen von CO2 im Holz und als Verdunstungsfläche, um die Bildung von Regenwolken zu begünstigen.

Dann führt die KI natürlich noch eine endlose Liste weiterer Punkte auf, die hier nur angerissen werden können, wie den Baustoff Holz insgesamt noch stärker einzusetzen, die Städte nicht weiter zu verdichten, sondern jede dafür geeignete Fläche zu begrünen nebst dem Entkernen der Innenhöfe und deren Umwidmung zu Begegnungs- und Spielflächen, die Implementierung Heilender Dörfer für körperlich-seelische Genesung und regelmäßige Erdung …

Diese Liste ließe sich, sagt die unermüdliche KI, beliebig fortsetzen und detaillieren. Vielleicht ein andermal, haben wir gesagt, und erst einmal den Stecker gezogen …

Über den Autor

Dr. -Ing. Wolfgang Issel

Dipl. Physiker und Autor

Wolfgang Issel ist Diplomphysiker und betreibt ein Ingenieurbüro für technische Neuentwicklungen. In diesem Buch bietet er eine praktische Orientierungshilfe, wie man trotz Alltagsstress und anderer Probleme zu einer ausgeglichenen Seelenlage kommt. Mit seinem Modell zeigt der Autor, wie das Gehirn unser Verhalten bestimmt, warum wir in einer Situation so und nicht anders handeln: Erkenntnisse, die bereichern und das Leben erfolgreicher machen. Von zentraler Bedeutung im Buch ist der seelische Pegelstand, die Bilanz aus seelischen Abflüssen durch Belastung und Zuflüssen durch Erfolge. Dieser Pegelstand entscheidet darüber, ob der Kopf mit seiner Vernunft oder der Bauch mit seinen elementaren Impulsen die Oberhand gewinnt. Ziel ist es, diesen Widerstreit zugunsten einer Kooperation von „Kopf“ und „Bauch“ aufzulösen und beide zu einem Team zusammenzubringen. Das Buch zeigt mit vielen Beispielen, wie sich eine positive Gefühlslage erreichen lässt, die sich positiv auf Leistung und Lebensgefühl auswirkt. Das Modell erklärt unter anderem Verhalten unter Stress, Flucht in Opferrollen, Glaube an eine höhere Instanz, Ideologien, Kriminalität und Terrorismus aber auch, wann und wie der Mensch über einen freien Willen verfügen kann.

Lernen Sie sich noch heute besser kennen!

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