03 Psychisch ausgeglichen

Inhalt: Psychische Ausgeglichenheit ist ein besonderer Zustand: Genuss des Hier und Jetzt, das ‚Ich‘ schwebt über allem Banalen, die Intuition baut Luftschlösser. Wo bleibt die Motivation? Was kann eine KI hier nützen?

Die Welt ist in Ordnung.

Das Prinzip ‚psychische Energie‘ erlaubt es der Software im Gehirn, Bedürfnisse, Anforderungen, Belastungen oder auch Erinnerungen, eben sämtliche Inputs und Outputs der neuronalen Netze in die Form einer allgemeingültigen ‚Gehirn-Währung‘ namens ‚psychische Energie‘ zu bringen. Auf diese Weise lassen sich zuströmende Erfolge und abströmender Aufwand überhaupt bilanzieren und daraus in jeder Situation ein bestmögliches Verhalten errechnen.

Bei einem gelungenen Projekt, einem erfüllenden persönlichen Erlebnis oder auch einfach bei Spaß und Freude, im Kleinen bereits, wenn die Ampel genau passend auf ‚grün‘ wechselt, spürt man doch regelrecht, wie nach solchen ‚Erfolgen‘ eine größere oder kleinere Welle psychischer Energie zufließt und die Stimmung aufleben lässt.

Biologisch gesehen ist es z.B. Dopamin, das als ‚Belohnungssubstanz‘ nach einem empfundenen Erfolg ins Blut ausgeschüttet wird. Es dockt an bestimmten Rezeptoren im Organismus an und löst dabei diese angenehmen bis euphorischen Gefühle aus.

Serotonin als Belohnungssubstanz wirkt eher mittelfristig und wird oft mit Medikamenten künstlich angehoben, z.B. wenn der Pegel an psychischer Energie auf ein absolutes Minimum gefallen ist und eine Depression droht.

Auch Drogen wirken wie Belohnungssubstanzen, indem sie die gleichen ‚Glücksrezeptoren‘ ansprechen, so ‚Erfolge‘ auf chemischem Wege vorspiegeln und damit den psychischen Pegel ‚unverdient‘ und künstlich anheben.

Auf emotionaler Ebene lässt sich Ausgeglichenheit als besonderer psychischer Zustand ohne innere Bedürfnisse oder äußere Anforderungen auffassen. Symbolisch dafür steht, von lauer Luft umfächelt und mit

geschlossenen Augen in einem Liegestuhl im Grünen zu träumen, frei von allen Sorgen und Nöten und weit weg vom täglichen Getue mit seinen vielfachen Zwängen und verführerischen Angeboten, die die neuronalen Netze, ob man nun will oder nicht, zum Mitschwingen bringen und keine innere Ruhe aufkommen lassen.

Kein Wunder, dass sich in alten Zeiten tiefschürfende Denker in Höhlen oder auch mal in ein Fass zurückgezogen haben, um dem Chaos zwangsläufig profaner Gedanken des täglichen Lebens zu entfliehen.

Ausgeglichenheit, ein eher seltener Zustand, den jeder gerne anstrebt, um den Organismus zu regenerieren und frei zu sein für neue Gedanken und Aktivitäten. Da ein solcher ‚Idealzustand‘ eher selten eintreten wird, gibt es Techniken, z.B. Meditation, um auch unter Belastung dem Pegel der Ausgeglichenheit wenigstens zeitweise näher zu kommen.

Ausgeglichenheit ist ein höchst individuelles Gefühl von innerer Ruhe und Gelassenheit, mit dem die Software des Menschen diesem einen für ihn optimalen Pegel an psychischer Energie kundtut: Keine Stresshormone, keine Ängste, keine Zwanghaftigkeit, keine geistigen Begrenzungen wie Ideologien oder andere Scheuklappen in Wahrnehmung oder Denkprozessen.

Die neuronalen Netze sämtlicher Lebensbereiche schweigen: Keines davon fühlt sich angeregt, keines beansprucht die Priorität. Landläufig gilt es als ausgemacht, dass es kein einzelnes neuronales Netz oder irgendeine Institution im Gehirn gibt, die ein zentrales ‚Ich‘ repräsentieren würde.

Aber wenn ich in meinem Liegestuhl so losgelöst dahindöse, warum kann ich dann leicht und bewusst an das Rendezvous mit Louisa morgen denken, mir in Gedanken vorstellen, was ich ihr sagen möchte und wie der Abend verlaufen könnte?

Warum kann ich mit einem Fingerschnippen umschalten und mich an den schönen Urlaub erinnern, diesen aufs Neue freudig an mir vorüberziehen lassen? Oder mir eine neue Reise vorstellen? Woher kommt dieses leichtfüßige ‚freie Denken‘, das ich so genieße? Geistig entfesselt ohne jede ideologische oder sonstige Verkürzung?

Selbst wenn ich versuche, an gar nichts zu denken, warum gehen mir dann immer noch federleichte Phantasien durch den Kopf? Oder meine Lieblingsmelodie? Meine Intuition schwebt losgelöst und unbeschwert über den neuronalen Netzen des täglichen Lebens und spielt alle möglichen und unmöglichen Phantasien durch, was sich alles ereignen könnte, selbst noch im Halbschlaf, einfach so.

Der Gedanke liegt nahe, dass es eben doch eine weitere, übergeordnete Ebene unserer neuronalen Netze gibt, die die Übersicht über alle anderen Netze hat und sich ‚Bewusstsein‘ nennt, die sich sogar als ‚Ich‘ deuten ließe. Dass die neuronalen ‚Arbeitsnetze‘ der ‚zweiten Reihe‘ nicht nur von Bedürfnissen und Anforderungen von außen angesprochen und in Gang gesetzt werden, sondern auch von der obersten ‚Ich-Schicht‘ bewusste Befehle empfangen können.

Diese Bewusstheit ermöglichende Schicht wäre dezentral angelegt, hätte die Übersicht über alle ‚Arbeitsnetze‘, würde über alles Wissen und Verstehen verfügen, das dem jeweiligen Menschen möglich wäre und sogar in der Lage sein, Zukunftsaspekte zu berücksichtigen, zu planen und zielführend zu handeln.

Allerdings wird sich die oberste bewusste Schicht der neuronalen Netze nur im Zustand psychischer Ausgeglichenheit zeigen dann, wenn genügend psychische Energie im System ist.

Denn sollte das Bedürfnis oder die Anforderung von außen ein bestimmtes Maß überschreiten, würde die bekannte ‚zweite Reihe‘ neuronaler Netze, zuständig für Angelegenheiten des täglichen Lebens, wieder die Aufgabe an sich ziehen. Dann splittet sich das ‚Ich‘ wieder in einzelne ‚Teil-Ichs‘ auf und die bewusste Steuerung schwindet.

Das am stärksten angeregte und sich dadurch zuständig fühlende Netz wird unterdrückende Impulse an die anderen Netze senden, um sich die Priorität bei der Bearbeitung eben ‚seines‘ Problems zu sichern.

Geringe Anzeichen von Hunger genügen bereits, damit die ‚Hunger-Netze‘ die Wahrnehmung auf Essbares scharf schalten und Aktionen in die Wege leiten, vor allen Dingen an Nahrung zu kommen und alles andere vorerst zurückzustellen.

Im Zustand des ausgeglichenen Pegels an psychischer Energie stehen dem Menschen alle seine körperlichen und geistigen Ressourcen im Standby zur Verfügung. Um aktiv zu werden, braucht es nur noch der Ziele und einer Motivation.

Das deutlichste Merkmal für psychische Ausgeglichenheit ist ruhige Überlegung durch die bewusste Beteiligung von Vernunft und Verstand bei Verhaltensentscheidungen. Daran beteiligen sich alle neuronalen Schichten, von den biologisch elementaren und unbewussten bis hinauf zu den bewussten obersten Ebenen von Verstand und Intuition.

Die Sinne geben die Realität, so gut es ihnen überhaupt möglich ist, wieder. Dadurch finden sich Aufwand und Risiken einigermaßen realistisch eingeschätzt und die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Aktion stark erhöht.

Es ist genügend psychische Energie verfügbar, um bei Entscheidungen auch die energieintensiven, ebenfalls zu den höheren Schichten zählenden sozialen Ebenen zu beteiligen, die den Umgang mit den Interessen Anderer und der Natur regeln.

Das Selbstwertgefühl ist hoch: Man hat sein Leben im Griff.

Auch die körperliche Seite profitiert: Keine Sorgen oder Ängste und damit auch keine Stresshormone stören die Steuerung der Organe oder des Immunsystems. Der Organismus läuft rund.

Der hohe Pegel an psychischer Energie bedeutet auch große Resilienz, da genügend Reserven vorhanden sind, um auch überraschende größere Abflüsse an psychischer Energie durch Misserfolge oder schicksalhafte Verluste aufzufangen.

Eine wesentliche Folge von Ausgeglichenheit ist ein wacher Geist, der sich gegen banale Manipulation und ‚Fake News‘ durch gezielte Information, eigenständiges Denken und Verstehen der Zusammenhänge gut wappnen kann.

Welch hilfreiche Rolle könnte eine Künstliche Intelligenz im psychisch ausgeglichenen Zustand eines Menschen spielen? In dem sich außer genussvollen Daseins und wolkigen Zukunftsträumen nicht viel bewegt?

Da sich eine heutige KI (2023) in erster Linie aus der Vergangenheit speist, erscheint sie weniger geeignet, kreativ in die Zukunft zu blicken. Aber warum sollte eine adaptierte KI nicht auch menschliches Verhalten im Ganzen beinhalten und den Menschen befähigen, neue Zusammenhänge zu erschließen und hilfreiche Wege für seine eigene Weiterentwicklung in Richtung nachhaltiger Existenz aufzuzeigen?

Eine persönliche Assistenz-KI würde neben allgemeinen Informationen, die für jeden Menschen gelten, auch einen Teil ganz individueller, auf ihn persönlich zugeschnittener KI für eine bessere Lebensführung umfassen mit dem Ziel, Manager auch seines Unterbewusstseins zu werden. Dazu sollte er seine innersten Antriebe kennen.

Was heißt das? Mit einer bestimmten Situation konfrontiert reagiert der Mensch meist unbewusst nach seinem inneren Programm, bringt aber seine Reaktionen oft nicht mit den wahren Ursachen in Zusammenhang. Eine KI könnte durchaus diesen Zusammenhang erkennen, Ursachen und Wirkungen abgleichen und bewusst machen: Du wirst schon bei geringstem Anlass wütend, mal sehen, was dahintersteckt!

Fazit: Psychische Ausgeglichenheit bedeutet bestmögliche Wahrnehmung der Realität, Übersicht, langfristiges Denken, Kreativität, optimale Entscheidungs- und Prioritätenfindung wie auch innere Ruhe, Regenerieren des Organismus mit guter Funktion des Immunsystems. Das Selbstwertgefühl ist hoch.

Bildnachweis:
Werner Heiber/Shotshop.com                              Liegestuhl