02 Psychische Energie
Bei diesem Thema empfiehlt sich ein Vergleich zwischen Roboter und Mensch. Sobald man nämlich einen humanoiden Roboter so programmieren soll, dass er menschliche Verhaltensweisen zeigt, stellt sich die Frage nach der prinzipiellen Arbeitsweise der „Verhaltenssteuerung“ von Roboter und Mensch.
Der Roboter arbeitet meist mit einer Software in Form eines Algorithmus mit definierten, nacheinander ausgeführten Schritten und führt damit die Aufgaben durch, für die er geschaffen wurde.
Er muss sich keine ‚Gedanken‘ um seine Energieversorgung machen, wird nicht müde und hat keine ‚Stimmungen‘, die ihn unkonzentriert, ungehalten oder gar aggressiv werden lassen.
Und Verantwortung hat er auch nicht zu tragen, kann er sich doch mit Recht darauf berufen, ‚lediglich Befehle seines Programms auszuführen‘.
Ein Mensch hingegen nutzt die gleichen natürlichen Ressourcen wie Licht, Luft, Wasser, Boden, wie andere Menschen, Tiere und Pflanzen auch.
Begrenzte Ressourcen führen zur Konkurrenz und begünstigen Lebewesen, die diese Ressourcen besonders effizient nutzen. Der Mensch ist daher gehalten, seine Ziele, wie die übrige Natur auch, mit möglichst wenig Aufwand zu erreichen:
Effizienz = Erfolg/Aufwand
Drei Bereiche helfen ihm dabei: Er verfügt mit seinen Sinnen über eine sehr sensible ‚Sensorik‘ und mit seinem Gehirn über eine leistungsfähige ‚Datenverarbeitung‘, um sich ein Bild von seiner Situation zu verschaffen, das seinen Zielen dienliche Verhalten zu errechnen und dieses z.B. mit Hilfe von Bewegungen mittels der Muskeln seines Körpers in die Realität umzusetzen.
In der Szenerie ‚Der Wanderer und der Apfel‘ hat Roboter Roby die fiktive Aufgabe, bei wachsendem Hunger und bestimmten Rahmenbedingungen, wie z.B. Attraktivität des Apfels und des Aufwands für das Klettern, die Motivation eines Menschen abzuschätzen, auf einen Baum zu steigen und sich einen Apfel zu pflücken.
Der mittels Psycho-Mathematik programmierte Algorithmus berücksichtigt aktuell sieben Eingangsgrößen für die komplexe Berechnung. Diese liefert erst dann mit der beobachtbaren Praxis gut übereinstimmende Ergebnisse, wenn als Variable ein fiktiver ‚Pegel an psychischer Energie‘ in der Berechnung berücksichtigt wird.
Was sollte das für ein Pegel sein?
Die starke Abhängigkeit des Menschen von seinen Stimmungen bezüglich Leistungsfähigkeit und Lebensgefühl gibt einen Hinweis:
Wir alle wissen, dass es ‚gute‘ und ‚weniger gute‘ Tage gibt, dass uns Erfolge Freude bescheren und uns ‚aufbauen‘, während Misserfolge und Verluste uns im Ganzen ‚herunterziehen‘. Es scheint einen Pegel an ‚psychischer Energie‘ zu geben, der auf unser Fühlen, Denken und Handeln, wie auch auf unsere körperliche und psychische Widerstandskraft, aber auch auf unsere Motivation großen Einfluss nimmt.
Um als Mensch arbeitsfähig zu bleiben, müsste dieser Pegel an ‚psychischer Energie‘ auf angemessener Höhe gehalten werden: Erfolge erhöhen den Pegel, Aufwand und Misserfolge belasten ihn.
Ein Fass mag dies verdeutlichen: Oben fließen ‚Erfolge‘ zu, unten ‚Aufwand‘ oder andere Belastungen heraus. Je nachdem wieviel zu- oder abfließt, stellt sich ein höherer oder niedrigerer Pegel an ‚psychischer Energie‘ ein.
Unter ‚Erfolgen‘ sind eine Vielzahl von psychischen Zuflüssen zu verstehen: gelungene Arbeiten, jede Art von Spaß und Freude, anregende oder tragende soziale Beziehungen.
Noch mehr als bestehende Zuflüsse erhöhen gute Aussichten den Pegel an psychischer Energie.
Bereits Hunger oder Aufwand jeglicher Art lässt den Pegel an psychischer Energie sinken: ‚Ohne Fleiß kein Preis‘ bedeutet, dass Erfolge in der Regel erarbeitet werden müssen.
Bereits ein Bild an die Wand zu hängen erfordert Überlegung und Geschick und damit ein Verbrauch an körperlichen, psychischen und geistigen Ressourcen. Die wiederholte Freude über das schöne und erfolgreich aufgehängte Bild lässt dann weit über den Aufwand hinaus psychische Energie zufließen.
Das Gedankenmodell geht davon aus, dass sich die Zu- und Abflüsse aus allen Bereichen in Form einer ‚Bilanz‘, genannt ‚Pegel an psychischer Energie‘, aufsummieren. Daher kann der Pegel durch fast beliebige In- und Outputs beeinflusst werden: Der Strafzettel am Auto als psychischer Abfluss wird kompensiert durch den Verzehr eines Schokoriegels, eine Rüge am Arbeitsplatz durch die Machtausübung eigentlich sinnlosen Überholens auf dem Nachhauseweg.
Dies gleicht der ebenfalls allgemeinen Reaktion des Organismus auf Belastung oder Stress, die wenig davon abhängt, woher diese im Einzelnen stammen.
Ein Gleichgewicht des ‚Systems Organismus‘ kann man sich so vorstellen, dass das ‚Fass der psychischen Energie‘ wie oben halb gefüllt ist.
Ein Absinken dieses Pegels unter die ‚Ausgeglichenheit‘, z.B. aufgrund von Hunger oder zur Abwehr einer Gefahr, führt zu einem Defizit des Pegels an psychischer Energie und aktiviert entsprechend stark die allgemeine Stressreaktion des Organismus, um die Anforderung zu meistern:
Stressreaktion = minus A x Defizit an psychischer Energie
Der Umsetzungsfaktor A von ‚Defizit an psychischer Energie‘ in ‚Stressreaktion‘ kann von Mensch zu Mensch sehr verschieden sein. Manche bringt nichts so leicht aus der Ruhe, andere wiederum verfallen bei gleicher Belastung in Ängste und Unvernunft.
Der ‚Pegel‘ bestimmt Leistungsfähigkeit, Lebensgefühl, Gesundheit und Selbstwertgefühl wesentlich mit.
Bei höherem Pegel fühlen wir uns wohl und ausgeglichen, Verstand und Vernunft beteiligen sich am täglichen Leben und wenn etwas schieflaufen und Abflüsse verursachen sollte, gibt es genügend Reserven im ‚psychischen Fass‘ und damit Resilienz genug, um diese Belastungen aufzufangen und aus gemachten Fehlern zu lernen.
Bei niedrigem Pegel hingegen machen sich Ängste und Stress bemerkbar, der Organismus müsste mit der verbleibenden Energie immer sparsamer umgehen um nicht noch weiter im Pegel abzusinken.
Der sehr energieintensive Verstand, repräsentiert durch ‚obere Ebenen‘ der neuronalen Netze im Gehirn, wird nach und nach aus dem Spiel genommen und das tägliche Leben eher auf energiesparenden ‚unteren Ebenen‘ nach Art eines unbewussten ‚Autopiloten‘ abgewickelt. Es fällt dann immer schwerer, sich zu konzentrieren, Prioritäten zu setzen oder etwas in Angriff zu nehmen.
Auf keinen Fall darf der Pegel der psychischen Energie unter einen Minimalwert fallen, da der Mensch dann in eine Depression gerät und für sich allein kaum noch überlebensfähig ist. Körperliche Energie der Muskeln lässt sich unabhängig trainieren, psychische Energie muss man sich durch ‚Erfolge‘ erarbeiten:
Ein Kerl wie ein Baum kann sich zu nichts mehr aufraffen, seit ihn seine Freundin verlassen und damit seinen psychischen Pegel auf ein Minimum gebracht hat. Ohne psychische Energie keine Motivation zu irgend etwas.
Wie wäre die Existenz eines solchen ‚psychischen Energiepegels‘ zu erklären?
Das Gehirn bringt nur ca. 2 % des Körpergewichts auf die Waage, beansprucht jedoch etwa 20 % der Gesamtenergie im Organismus.
Es ist das Gehirn, das der Leistung und dem Lebensgefühl des Menschen Grenzen setzt. Der Pegel an psychischer Energie ist dabei entscheidend.
Zu viele Neurone (Nervenzellen) zugleich aktiv zu betreiben, würde untragbar viel Energie kosten, zu wenige heranzuziehen, ließe eine zu geringe Qualität in der Verhaltensberechnung und damit keine erfolgversprechende Aufgabenlösung erwarten. Besonders effizient wäre es wohl, gerade so viel Nervenzellen in Anspruch zu nehmen, dass sich die Aufgabe so gut wie nötig bewältigen ließe.
Das Gehirn müsste daher, neben der Lösung der Aufgabenstellung an sich, auch noch abschätzen, welches Maß an psychischer Energie es bereitstellen müsste, um die vorliegende Aufgabe angemessen zu lösen, nicht zu wenig seiner Rechenleistung zu investieren, aber auch nicht zu viel, um keine Energie zu verschwenden.
Je höher der Pegel an psychischer Energie, desto eher würden höhere, energieintensive Ebenen mit hoher Qualität bezüglich Leistung und Sozialverhalten aktiviert. Mit niedrigem Pegel könnten nur noch elementare, sparsame Ebenen von Neuronen in den neuronalen Netzen betrieben werden. Dies hätte eine niedrigere Verarbeitungsqualität bei der sinnlichen Wahrnehmung, der Berechnung des Verhaltens und deren körperlicher Umsetzung, aber auch beim Betrieb der Organe selbst zur Folge.
Die Vermutung liegt nahe, dass die Einschränkungen infolge Defizits an psychischer Energie generell den energieintensivsten Teil des Organismus, nämlich die Steuerungsebene, repräsentiert durch die Nervenzellen der neuronalen Netze in Gehirn und Körper, betreffen. Die schnelle Ermüdung bei hochkonzentrierter Denkarbeit weist in die gleiche Richtung.
Fazit: Der Pegel an psychischer Energie eines Menschen beeinflusst Leistung und Lebensgefühl zugleich und bestimmt auch darüber, bis zu welchem Grad er seine Fähigkeiten, z.B. Verstand und Sozialkompetenz, überhaupt zum Tragen bringen kann.
Damit wäre – im Gegensatz zu Roboter und KI – beim Menschen das Maß seiner aktuell einsetzbaren Kompetenzen stark von seinem Pegel an psychischer Energie abhängig.