10 Neuronale Netze

Inhalt: Es ist in erster Linie die Versorgung höherer Schichten mit psychischer Energie, die das menschliche Gehirn in der Qualität seiner Tätigkeit einschränkt. Das Modell ‚psychische Energie‘ geht daher von einem hierarchischen Aufbau der neuronalen Netze untereinander, einer ebenfalls geschichteten Struktur innerhalb der Netze und sogar der darin verarbeiteten Daten selbst aus.
Und wie kommt eine ‚Prägung‘ zustande, dass die Netze sich ausbauen und ihren ausgebauten Zustand verteidigen?

Hier noch einmal die Zeichnung einer multipolaren Nervenzelle des menschlichen Kleinhirns nach Ramón y Cajal, symbolisch für die Komplexität eines neuronalen Netzes.

Eine einzige Nervenzelle mit fast unendlich vielen Inputs…

Jeder noch so kleine Input in den feinen Verästelungen trägt zur Informationsverarbeitung der Nervenzelle, aber auch zu einem in der Summe hohen Energieverbrauch bei, den das Gehirn nicht lange aufrechterhalten kann.

Man muss sich nur einmal vorstellen, dass sich in einem laufenden Szenario Anzahl und Stärke der Inputs andauernd ändern und praktisch fließend immer neue Verhaltensmöglichkeiten berechnet und gegeneinander abgewogen werden müssen. Ein Dauerfeuer. Sich in Unzahl entladende Membranpotentiale rekonstruieren, Neurotransmitter synthetisieren, Traubenzucker und Sauerstoff zuführen und Reaktionsprodukte abführen, Eine kaum vorstellbare Spitzenleistung, die das Gehirn für Abermillionen von Neuronen und Synapsen in kürzester Zeit erbringen muss.

Kein Wunder, dass das Gehirn schnell an seine Grenzen gerät.

Das menschliche Gehirn ist ein hochkomplexes Organ, und viele seiner Funktionen sind auf verschiedene Strukturen verteilt. Sowohl Verstand (kognitive Funktionen) als auch Gefühl (emotionale Funktionen) sind nicht auf einen einzigen Ort im Gehirn beschränkt. Stattdessen sind sie das Ergebnis einer Interaktion mehrerer Hirnregionen, z.B.:

  1. Verstand (Kognitive Funktionen):
    • Präfrontaler Kortex: Dieser ist verantwortlich für hochwertige Funktionen wie Planung, Vernunft und soziale Kognition. Diese ‚höheren‘ Funktionen benötigen besonders viel Energie.
    • Hippocampus: Spielt eine Schlüsselrolle bei Lernen und Gedächtnis.
  2. Gefühl (Emotionale Funktionen):
    • Amygdala: Sie spielt eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere von Angst.
    • Hypothalamus: Reguliert physiologische Reaktionen auf Emotionen, wie z.B. Schwitzen oder Zittern, und ist auch wichtig für Triebe und Motivation.

Auch verschiedene Neurotransmitter-Systeme und Netzwerke im Gehirn sind an der Regulierung von Emotion und Kognition beteiligt.

Die Geschwindigkeit, mit der das Gehirn verschiedene Funktionen ausführen kann, variiert je nach Art der Funktion und den beteiligten neuronalen Pfaden:

Sehr schnell sind Reflexe als ‚automatische‘, sofortige Reaktionen auf spezifische Reize. Auch die primären sensorischen Areale des Gehirns (Sinne) reagieren sehr schnell auf eingehende Informationen, wie z.B. auf ein plötzliches Geräusch oder Licht.

Schnell sind auch einfache motorische Reaktionen: Wenn Sie beispielsweise aufgefordert werden, so schnell wie möglich auf einen Lichtblitz zu reagieren, indem Sie einen Knopf drücken, ist diese Reaktion schnell, weil sie minimale kognitive Verarbeitung erfordert.

Das Arbeitsgedächtnis und eine bewusste kognitive Verarbeitung, gerade bei komplexen Entscheidungen mit vielen Eingangsgrößen und möglichen Verhaltens-Varianten erfordern erheblich mehr Zeit, da viele Informationen verarbeitet, verglichen und bewertet werden müssen.

Auch die emotionale Verarbeitung und Regulation, das Identifizieren, Verstehen und Regulieren von Emotionen kann erheblich Zeit in Anspruch nehmen, besonders in komplexen oder neuartigen Situationen.

Als wichtigste Einflussgröße für die Leistung des Gehirns neben genügend chemischer Energie ist das verfügbare Angebot an psychischer Energie. Je niedriger deren Pegel, desto stärker wird das Gehirn in seiner Leistung eingeschränkt indem es versucht, mit möglichst energiesparenden unteren Schichten zurecht zu kommen.

Der psychische Pegel bestimmt, wieviel von der theoretisch möglichen Gehirnleistung tatsächlich zur Verfügung steht.

Wie ließe sich der Energiebedarf, besonders im Mangel an psychischer Energie, senken? Sollte man z.B. nur die stärksten Signale der Hauptäste berücksichtigen? Auch wenn man vorher nicht weiß, in welchem Bereich diese Signale auftreten werden?

Vorteilhafter wäre es wohl, Signale generell mittels einer mathematischen Transformation systematisch in Schichten mit verschiedener Einfluss-Stärke aufzuteilen.

Als Beispiel die folgende Bilderserie: Das Originalbild der ‚Romana‘ wurde mittels Fourier-Transformation in 64 Schichten gesplittet, mit der ersten Schicht beginnend Schicht über Schicht wieder zusammengesetzt und zu einem Bild rücktransformiert.

„Romana“, schichtenweise rekonstruiert

Bereits die Rekonstruktion aus den ersten zwei (untersten) Schichten lässt eine Figur erkennen, die ersten fünf, dass es sich um eine Frau handelt, bei zehn Schichten werden schon Einzelheiten erkennbar und mit 20 Schichten ist bereits ein recht gutes Bild zu erhalten. Aus allen 64 Schichten rekonstruiert zeigt sich wieder das Original.

Eine Bestätigung des Pareto-Prinzips, benannt nach Vilfredo Pareto oder 80-zu-20-Regel genannt. Diese besagt, dass 80 % der Ergebnisse bereits mit 20 % des Aufwands, hier der zur Rekonstruktion benötigten Schichten, erreicht werden können.

Das Beispiel zeigt, dass viele Berechnungen des Algorithmus, wenn nicht gar die meisten im täglichen Leben, sehr energiesparend mit wenigen ‚unteren‘ Schichten, ‚aus dem Bauch heraus‘ abgewickelt werden können. Meist wird gar nicht bewusst, wie ungenau die vielen ‚Klein-Entscheidungen‘ des Tages berechnet und umgesetzt werden.

Da untere Schichten eher fest verdrahtet und sehr schnell sind, obere Schichten dagegen fluide und langsam, zeigt die obige Abbildung, dass bereits wenige untere Schichten für die schnelle Entscheidung genügen, welcher Art ein plötzlich auftretendes Gegenüber ist und welche Gefahr oder Chance von diesem ausgehen könnte.

Auf ‚unteren Schichten‘ laufen die Rechenprozesse eher unbewusst, auf ‚oberen Schichten‘ bewusst ab. Daher arbeitet der das Verhalten errechnende Algorithmus so gut wie immer mit einer fließenden Mischung aus bewussten und unbewussten Anteilen.

Bewusst und auf ‚oberen Schichten‘ wird der Algorithmus nur tätig, wenn genügend psychische Energie zur Verfügung steht, wenn nicht, muss er wohl oder übel seine Rechenvorgänge auf energiesparende ‚untere Schichten‘ verlagern, je weiter nach unten, desto unbewusster die sich ergebende Handlung.

Das Erlernen des Grundschritts, beispielsweise beim argentinischen Tango, läuft zunächst über obere Schichten mit dem analytischen Verstand: Ganz bewusst mit dem rechten Fuß zurück, mit links seit, mit rechts vor, links vor, mit rechts schließen usw. Auch Figuren wie der ‚Ocho‘, die ‚Acht‘ gilt es, sich äußerst mühsam und unter hohem Verbrauch an psychischer Energie schrittweise einzuprägen. Die nötige, hoch energiezehrende Konzentration macht zuweilen so gar keinen Spaß und man muss schon stark motiviert sein, um diese Phase durchzuhalten.

Später dann, mit genügend Übung und Praxis auf dem Parkett, verlagert der Algorithmus seine Rechenvorgänge immer mehr auf ‚untere Schichten‘, auf denen sich schnell und energiesparend rechnen lässt. Die Tanzfiguren gehen nun ‚aus dem Bauch heraus‘ und ‚easy‘ vom Fuß und man kann seine Aufmerksamkeit voll und ganz der Partnerin und der Interpretation der Musik widmen. Gefragt, welche so ansprechende Figur man eben getanzt hat, die hilflose Antwort: Keine Ahnung, was das war, so weit weg von der Bewusstheit spielt sich schließlich das Geschehen ab.

Fotos verzeihen viele Abbildungsfehler und zudem ist unser Gehirn in der Lage, Unnötiges beiseite zu lassen und fehlende Infos zu ergänzen. Es präsentiert seinem Träger, nach ’natürlich-intelligenter‘ Bearbeitung, ein Bild mit Merkmalen, die in der Praxis von Bedeutung, vor allem für Existenz und Fortpflanzung sind.

Bei geforderten Hoch- und Höchstleistungen ergibt sich ein ganz anderes Bild, z.B. im Leistungssport, wo Höchstleistungen nur mit maximaler Trainingsintensität, guter psychischer Lage und hoher Motivation erreichbar sind. In vielen sportlichen Disziplinen, denken wir an Ski-Abfahrt, Leichtathletik und viele andere, entscheiden oft Bruchteile von Sekunden über Sieg oder Niederlage.

Auch bei besonders schwierigen Fragestellungen und Entscheidungen des täglichen Lebens sind es oft Kleinigkeiten, die zu dieser oder jener Entscheidung führen, die wiederum erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Die Transformation einer Schwelle mit scharfen Kanten mittels Fourier-Transformation mag dies verdeutlichen: Werden alle 64 Schichten der neuronalen Netze in Anspruch genommen, lässt sich die Schwelle exakt darstellen: Rote und blaue Kurven überlappen sich. Allerdings benötigt der Betrieb aller 64 Schichten unverhältnismäßig viel Energie.

Mit nur 32 von 64 Schichten beschrieben ergibt sich nur eine sehr angenäherte Beschreibung der originalen Schwelle (rot): An deren Position erscheint zwar ein Maximum (blau), die Feinheiten, Ecken und Kanten fallen jedoch weg. Der Energiebedarf ist niedrig.

Je niedriger der Pegel an psychischer Energie, auf desto weniger höhere Schichten kann der Algorithmus zurückgreifen und desto ungenauer, aber energiesparender wird er arbeiten. Da Aufgaben mehr oder weniger anspruchsvoll sein können und auch der Pegel an psychischer Energie Schwankungen unterworfen ist, wird der Algorithmus ebenso fließend einmal mit niedrigen oder auch höheren Schichten seiner neuronalen Netze und damit auch mehr oder weniger bewusst arbeiten müssen.

Der Zwang, Energie zu sparen, erfordert es im Vorfeld abzuschätzen, welchen Grad an Qualität die gestellte Aufgabe erfordern würde. Sich seiner Sache zu sicher zu sein und den Aufwand zu unterschätzen, kann böse enden, z.B. beim Fußball den Gegner vom letzten Tabellenplatz nicht ernst genug zu nehmen.

Fußball? Hier ist Übersicht und höchste Präzision, aber auch Kampf- und Teamgeist gefragt. All dies ist nur mit einem hohen psychischen Pegel zu erreichen. Daher ist psychisches Gleichgewicht und hohe Motivation gleichermaßen Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz.

Aus diesen Betrachtungen lässt sich schließen, dass der Algorithmus des Gehirns aus Gründen sparsamen Einsatzes psychischer Energie nicht mit den originalen, sondern in Schichten transformierten Daten rechnet und je nach Aufgabenhöhe und verfügbarer psychischer Energie spontan bestimmt, ob Basis-Komponenten ausreichen oder auch Beiträge höherer Schichten zur genaueren Berechnung des Verhaltens herangezogen werden müssen.

Bei sinkendem Pegel an psychischer Energie verlagern sich die Denkvorgänge unter Qualitätsverlust immer mehr auf untere Schichten. Wie kann man sich die Rechenvorgänge neuronaler Netze überhaupt vorstellen?

Ein sinkender Blutzuckerspiegel vermittelt ein Gefühl von ‚Hunger‘ und aktiviert das neuronale Netz ‚Nahrungsbeschaffung‘: Die Aufmerksamkeit wird geschärft auf alles Essbare und alle Erfahrungen aufgerufen, wo solches zu finden sei.

Und die vielen weiteren neuronalen Netze? Warum schweigen diese und überlassen dem Netz ‚Nahrungsbeschaffung‘ die Priorität? Nun, zunächst finden sich ja alle Netze zugleich mit der Situation konfrontiert und werden je nach ihrer ‚Zuständigkeit‘ für eine Komponente der Szenerie angesprochen und in Erregung (Resonanz) geraten.

Sobald ein sehr hungriger Wanderer einen schönen roten Apfel auf einem Baum entdeckt, wird das Netz ‚Hunger‘ heftig anspringen und Aktionen zum Pflücken des Apfels in die Wege leiten. Der Algorithmus richtet seine Verhaltensberechnung ganz vorrangig nach den Signalen dieses am stärksten in Resonanz geratenen Netzes. Allgemein kann gelten:

Das durch ein inneres Bedürfnis oder eine Anforderung von außen am stärksten ansprechende neuronale Netz sendet unterdrückende Impulse an alle anderen Netze und holt sich so die Priorität (Buch von Eric Kandel: „Auf der Suche nach dem Gedächtnis“).

Dieser Mechanismus ist so sinnvoll wie bekannt: Eine bedrohliche Situation: Der psychische Pegel fällt, Stresshormone werden ausgeschüttet und sorgen für Abwehrbereitschaft: Blutdruck hoch, Verdauung und Schmerzempfindung runter. Alle Energie in die Abwehr der Bedrohung.

Und was ist, wenn eine gänzlich unbekannte, vorher nie erlebte Situation keines der Netze anspricht? Dann kann der Algorithmus diese Situation nicht erfassen und schon gar nicht einordnen oder bewerten, also auch nicht entscheiden, ob eine akute Gefahrensituation besteht und was zu tun  wäre.

Um seine Existenz abzusichern muss der Algorithmus zunächst vom Schlimmsten ausgehen und vorsichtshalber geeignete Strategien zur Bewältigung der vorläufig als kritisch eingeschätzten Situation errechnen.

Man braucht nur um eine Ecke zu biegen und unversehens auf jemanden zu stoßen und schon fällt das Herz in die Hose. Unbekanntes, das kein Muster eines neuronalen Netzes anspricht, löst unmittelbar Ängste aus, da der Algorithmus die Situation nicht schnell genug als harmlos oder bedrohlich einschätzen kann. Mit jeder weiteren Erfahrung erweitert sich der Fundus des Algorithmus an Situationen, so dass sich die Ängste mit jeder einschlägigen Erfahrung im Laufe des Lebens verringern.

Unbekannte und überraschende Situationen, die in den neuronalen Netzen auf leere Schichten ohne Erfahrung treffen, lassen den psychischen Pegel schnell und stark sinken, der Algorithmus löst Urängste aus und greift zu den bekannten Ur-Reaktionen wie Kampf, Flucht oder Erstarren bis hin zur Handlungsunfähigkeit. In vielen bekannten Situationen des täglichen Lebens kann es so zu spontaner, im psychischen Mangel sogar aggressiver Abwehr kommen:

Seinem Vorgesetzten einen Vorschlag zur Lösung eines Problems vorgetragen und dieser ist überfordert und versteht den Gedanken nicht: Es droht die spontane und schroffe Ablehnung..

Ein tief abgefallener Pegel kann zu überschießender Fehleinschätzung führen, Überreaktionen auslösen und tief im Gedächtnis verankert bleiben. Diese Ur-Reaktionen greifen auch, wenn die Situation in der Begegnung mit einem einzigen Menschen besteht. Alle Sinneseindrücke einer Szenerie, die nicht durch Erfahrungen hinterlegt sind, machen Angst im Maße ihrer Andersartigkeit, dem Unterschied zum bereits eingespeicherten Bekannten.

Alles dient letztlich der Existenzsicherung: Erst einmal das Schlimmste annehmen, dann durch gute Erfahrungen nach und nach Vorbehalte abbauen und – schließlich – Vertrauen fassen.

Was auch immer von der gewohnten Palette an gespeicherten, insofern als ’normal‘ empfundenen Erscheinungsformen abweicht, sei dies die Größe, Hautfarbe, Frisur, Haarfarbe, Kleidung, Bewegungsmuster oder andersartige Verhaltensweisen eines Menschen, alles dies verursacht im Maße der Andersartigkeit zunächst Ängste und Abwehr durch diese elementaren, dem Überleben dienenden Urprogramme auf untersten Schichten, die im Übrigen bei sinkendem psychischem Pegel immer stärkeren Einfluss auf das Verhalten gewinnen.  Vorwürfe oder Vorschriften, sein Verhalten zu ändern, senken den Pegel weiter und provozieren den verstärkten Widerstand dieser existenziellen Schichten.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist der Vorwurf von ‚Rassismus‘ eigentlich unsinnig. Es handelt sich eher um ein sinnvolles, existenzsicherndes ‚Urprogramm‘, das allen Menschen gleichermaßen innewohnt: Alles von der ‚gängigen Norm‘ Abweichende erzeugt zunächst Ängste und Abwehr.

Es liegt nahe, dass ‚Rassismus-Vorwürfe‘ vor allem dem Zweck dienen, Anderen psychische Energie zu stehlen, indem man  sich selbst einbildet, auf einem höheren moralischen Podest zu stehen und sich herausnimmt, durch die Beschuldigung im ‚Sündenbock-Modus‘ vor allem Macht auszuüben, um seinen eigenen niedrigen psychischen Pegel auf Kosten seiner Mitmenschen wieder anzuheben.

Wie reagiert der Algorithmus eigentlich, wenn ihm zeitgleich nicht eine, sondern gleich zwei Aufgaben vorgelegt werden?

Im täglichen Leben ist man beim ‚Multitasking‘ des öfteren versucht, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun. Schnell zeigt sich, dass das nur sehr bedingt möglich ist. Am Steuer eines fahrenden Autos mit dem Handy zu telefonieren lenkt die Aufmerksamkeit ab, denn die Priorität der neuronalen Netze ist stets dort, wo gerade das größte Interesse des Organismus liegt. Es wird nichts wirklich parallel verarbeitet, sondern schön brav das eine und dann das andere. Und das dauernde Umschalten der Aufmerksamkeit frisst die Energie sozusagen körbeweise weg.

Je fesselnder das Telefonat, desto mehr gerät das Autofahren in den Hintergrund. Tritt überraschend eine kritische Verkehrssituation auf, fehlt dem Algorithmus die Zeit, die Ressourcen schnell genug wieder auf das Fahren zu konzentrieren. Bis wieder umgeschaltet ist, hat es längst gekracht.. Ob es ein Streitgespräch, die süße Freundin daneben oder ein Telefonat mit der Erbtante ist: Je stärker die Ablenkung, desto geringer die effektive Fahrtüchtigkeit.

Im täglichen Leben ist Multitasking der Energiefresser schlechthin und auf Dauer oft Ursache für einen psychischen Niedergang.

Wie sieht Multitasking aus Sicht der neuronalen Netze denn praktisch aus?

Bereits beim ‚Duotasking‘ auf gleicher Ebene sollen zwei Aktionen gleichzeitig geplant und durchgeführt werden.
Der Ablauf wäre folgender:

– Netz 1 in Aktion, arbeitet ersten Teil der Aufgabe 1 ab, vor Lösung der Aufgabe 1 umschalten zu Netz 2, aber vorher Stand Netz 1 sich merken.

– Netz 2 in Betrieb gesetzt, arbeitet Teil der Aufgabe 2 ab, vor Lösung der Aufgabe rückschalten zu Netz 1 und Stand Netz 2 speichern.

– Aufruf gespeicherter Stand Netz 1, Aktion weitergeführt, vor umschalten zu Netz 2 Stand Netz 1 im Gedächtnis behalten.

– Aufruf gespeicherter Stand Netz 2, Aktion fortführen, vor rückschalten zu Netz 1 Stand Netz 2 abspeichern.

Dieses Hin- und Herschalten birgt bereits beim Abspeichern und Wieder-Aufrufen des jeweiligen Standes der Bearbeitung viele Fehlerquellen: Bereits das ‚Duotasking‘ ist hoch energiezehrend und hohe Qualität nicht zu erwarten.

Beim ‚Multitasking‘ vervielfacht sich der mentale Aufwand durch das Umschalten, so dass Spitzenleistungen nicht erbracht werden können und nichts von alledem optimal abgewickelt werden kann.

Für hohe Qualität empfiehlt sich daher, seriell zu arbeiten, ein Thema bis zu einem definierten Zwischenergebnis zu bringen und dann erst das nächste Thema in Angriff zu nehmen.

Fühlt sich ein neuronales Netz im normalen Rahmen angesprochen, erhöht es zunächst seine ‚Aufmerksamkeit‘. Dies bedeutet im Falle ‚Nahrungsbeschaffung‘, dass das Netz im Maße des aufgetretenen Hungers immer stärker Muster von Essbarem aktiviert und damit sein Umfeld absucht.

Der Wanderer z.B. entdeckt den einzigen Apfel auf dem Baum, weil er aus Erfahrung weiß, dass auf Bäumen Äpfel hängen können, die sein Hungerproblem lösen könnten. Dort sucht er zuerst.

Die energiesparende Suche beginnt unter Einsatz unterer Schichten, deren Leistung immerhin ausreicht, um etwas Rotes auf einem der Bäume zu entdecken. Die Resonanz auf unteren Schichten setzt unter Energieaufwand höhere Schichten in Gang, um genauere Daten für die Motivationsberechnung zu erhalten:

Das Auge fokussiert sich auf den Apfel und die Bildauswertung – wie oben bei der ‚Romana‘ – ermittelt nun mit mehr Schichten genauere Daten: Wie groß? Schön rot? Fleckig oder angepickt? Ähnlich ermittelt der Algorithmus die Lage des Apfels auf dem Baum und schätzt den Aufwand ab, ihn zu pflücken. Je genauer, desto mehr Schichten werden beteiligt und desto energieaufwändiger für das Gehirn.

Nicht zu vergessen die Geschwindigkeit, gerade wenn schnelle Entscheidungen gefordert sind:

Dunkler Parkplatz, eine schwarz gekleidete Gestalt taucht plötzlich auf: Weiter machen, als wäre nichts? Erstarren, Flüchten, notfalls kämpfen?

Keine Zeit für Überlegungen. Die neuronalen Netze müssen blitzschnell die Lage erfassen, beurteilen und die nötigen Handlungen in Gang setzen. Schnelle Entscheidungen sind nur auf untersten Schichten der neuronalen Netze möglich. Diese sind auf kurzem Wege ‚fest verschaltet‘ und liefern eine Entscheidung fast in ‚Echtzeit‘, falls sie nicht durch Überforderung gänzlich streiken.

Zwar ist jeder Mensch für überraschende Szenarien mehr oder weniger gut mit Notprogrammen ausgestattet, die ‚automatisch‘ in Aktion treten, z.B. Kampf oder Flucht. Besser noch, wenn durch Wissen und Übung die neuronalen Netze bereits trainiert sind und man auf eine Gefahr ‚gefasst‘ ist.

Biegt man um eine Ecke, damit ‚rechnen‘, dass etwas entgegenkommt.

Dann liegen die Handlungsmöglichkeiten bereits in den neuronalen Netzen im Gehirn gespeichert vor, lösen keine blockierenden Ängste aus und können in der Situation ohne Zeitverzögerung abgerufen und umgesetzt werden.

Von großer Bedeutung für das tägliche Leben ist eine weitere grundsätzliche Eigenschaft neuronaler Netze, deren ‚Prägung‘. Wird ein neuronales Netz in immer gleicher Weise auf Dauer beansprucht, wird es sich verstärken, indem Neurone und Synapsen für die abgeforderte immer wiederkehrende Beanspruchung ‚ertüchtigt‘ werden.

Die Folge? Damit sein Ausbau ’sich lohnt‘, wird das nun ertüchtigte neuronale Netz mehr gleichartige Aktivität für sich einfordern:

Ein Mensch, eine Gruppe oder eine Gesellschaft sieht sich unablässig einer wie auch immer gearteten Propaganda ausgesetzt. Die neuronalen Netze würden sich im Sinne dieser Informationen, ob nun wahr oder falsch, ausbauen und damit ‚prägen‘. Diese durch Gewöhnung gefestigten Fehlinformationen würden schließlich als alleinige ‚Wahrheit‘ betrachtet und alle anderen Darstellungen der Situation als ‚falsch‘ von sich gewiesen oder sogar aggressiv abgewehrt werden.

Nicht genutzte neuronale Netze wiederum werden erst ausgedünnt und schließlich rückgebaut, wenn dem Aufwand für Wartung und Betrieb derselben kein äquivalenter Nutzen gegenübersteht. 

Still under construction..

Fazit: Da der Energieverbrauch des Gehirns den begrenzenden Faktor darstellt, ist es wahrscheinlich, dass die neuronalen Netze ‚geschichtet‘ sind: Untere Schichten sind grob gerastert, aber schnell und energiesparend, obere Schichten fein auflösend, durch viele Inputs aber langsam und energiezehrend.
Neuronale Netze lassen sich durch immer wiederkehrende Indoktrination ‚prägen‘ und wehren schließlich anderslautende Informationen als ‚falsch‘ ab. Die Realität geht verloren.

Bildnachweis:
Majorgaine/Shotshop.com                                   Model „Romana“
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