11 Motivation

Inhalt: Die Motivation eines Menschen für eine bestimmte Aktivität lässt sich mit einem Algorithmus aus der Psycho-Mathematik abschätzen. Im folgenden Beispiel errechnet Roboter ‚Roby‘ bei wachsendem Hunger mit sieben Variablen den Zeitpunkt, an dem er fiktiv auf einen Baum steigen würde, um einen Apfel zu pflücken.

Wie berechne ich meine Motivation?

Um seiner Verwirklichung zu dienen und dafür belohnt zu werden, muss ein Mensch psychische Energie in zielführende Unternehmungen investieren: Welche inneren und äußeren Bedingungen motivieren zu einer bestimmten Aktivität?

Da sind Bedürfnisse wie Hunger, Durst oder nach sozialer Nähe und äußere Anforderungen, denen man gerecht werden muss. Um eine besondere Aktion in die Wege zu leiten, bedarf es des oft komplexen Zusammenwirkens vieler Teilaspekte.

Um einen Eindruck vom Zusammenspiel dieser Zu- und Abflüsse an psychischer Energie in der Praxis zu erhalten, möge in stark vereinfachter Form die Szenerie „Der Wanderer und der Apfel“ aus der Psycho-Mathematik dienen, wie deren prinzipielle Anwendung im Video: Roboter Roby erklärt die Psycho-Mathematik zu sehen ist:

Ein Wanderer geht frohgemut mit ausgeglichenem Pegel an psychischer Energie durch eine reizvolle Landschaft mit Bäumen und genießt das schöne Wetter.

Nach einiger Zeit rührt sich ein Hungergefühl und die Ausgeglichenheit ist dahin, da diese ‚innere Anforderung‘ von Nahrung seinen Pegel an psychischer Energie sinken und die Stresshormone ansteigen lässt, um Energie für die Beschaffung von Nahrung bereitzustellen.

Eine Welle von Belohnungssubstanz durchströmt ihn, als seine nun auf ‚Nahrung‘ ausgerichtete Wahrnehmung auf einem der Bäume einen großen, roten Apfel entdeckt. Sein Algorithmus hat nämlich eine Zukunftsvision erstellt, um den Wert des Apfels zur Lösung des Hungerproblems einzuschätzen: Er vermittelt die Vorstellung, diesen schönen Apfel genussvoll zu verzehren und schüttet bei dieser Vision so viel Belohnungssubstanz und damit psychische Energie aus, dass deren Pegel allein durch diese doch nur ‚eingebildete‘ oder erhoffte Belohnung sogar über den der Ausgeglichenheit hinaus als ‚Vorfreude‘ in die Euphorie hinein ansteigt.

Doch als er kurz darauf realisiert, wie hoch er klettern müsste, um den Apfel zu pflücken, fällt sein psychischer Pegel umso weiter ab, je höher er Aufwand und Risiko des Kletterns einschätzt. Auch hier konstruiert der Algorithmus aufgrund seiner Erfahrung im vorhinein eine Szenerie aus Kletterhöhe und Schwierigkeitsgrad, eben wie sich das Klettern ganz realistisch darstellen könnte.

Wie gut, dass er in jungen Jahren gelernt hat zu klettern. Sein Zutrauen, das Klettern zu meistern, hebt seinen psychischen Pegel wieder an.

Bei ‚kleinem Hunger‘ stellt sich noch zu wenig Motivation ein. Wird das Hungergefühl jedoch stärker, hilft sein hinterlistiger Algorithmus nach, indem er die Realität ‚modifiziert‘ und den subjektiven Wert des Apfels mit wachsendem Hunger ansteigen lässt:

Je größer der Hunger, desto attraktiver erscheint der Apfel.

Und auch die Einschätzung von Aufwand und Risiko des Kletterns fährt der nun unter wachsendem Stress stehende Algorithmus freimütig herunter:

Das Klettern kann so schwierig nicht sein, du schaffst das! (Irgendwoher bekannt…)

Warum die Realität fälschen? Natürlich, um der Motivation einen zusätzlichen Schub zu verleihen. Denn neuronale Netze werden erst aktiv, wenn bestimmte Schwellenwerte an den Inputs überschritten sind. Ein kleiner Stubs oder auch ein Tritt in den Hintern setzt die Chose in Gang.

Und soziale Aspekte? Der Apfel gehört dem Wanderer nicht. Bei besonders sozialer Haltung würde sein ‚schlechtes Gewissen‘ dafür sorgen, noch zu warten und erst bei übermächtigem Hunger diesen Diebstahl zu begehen. Der Egoistische hingegen würde sich den Apfel ohne jede Hemmung einverleiben.

Die mathematische Bilanzierung des Algorithmus am Ende dieses psychischen Zick-Zacks führt in deutlich komplexerer Form letztendlich zum Maß der Motivation, auf den Baum zu klettern.

Also gut, der Hunger sei nun so groß, dass die Höhe der Motivation die Schwelle zur Aktion (im Beispiel 30 Skalenteile) überschreitet und der Wanderer nun auf den Baum klettert und den Apfel pflückt.

Jetzt zeigt sich, inwieweit seine vorherige Einschätzung der Realität entsprochen hat: Läuft das mit dem Klettern wie gedacht, ist der Apfel tatsächlich schön und süß, keiner ist vom Baum gefallen und keiner hat den Klau gesehen? Dann fließt eine Menge psychischer Energie zu.

Was aber, wenn der Apfel, schön von vorn, hinten aber angepickt und angefault ist? Herbe Enttäuschung!

Denn nun muss die als Vorfreude zugeflossene psychische Energie zurückgezahlt werden, „Ent-täuschung“ und Frustration entstehen und wachsen sich aus, wenn auch noch das Klettern haarscharf danebengegangen wäre.

Fehlte nur noch, dass der Besitzer des Baums auftauchte mit der Frage, was er auf seinem Baum zu suchen habe. Alles in allem eine erfolglose Aktion, die eine Menge Aufwand, Risiko und psychische Energie gekostet, aber nichts gebracht hat.

Die Motivation ufert geradezu aus, wenn der Aufwand gering erscheint: Bei einem lockenden Apfel in Griffweite braucht es nicht einmal Hunger, um ihn mitgehen zu lassen. Wem der gehört, spielt keine Rolle: Das Objekt der Begierde selbst erzeugt eine übermächtige Motivation und nichts spricht dagegen.

Gelegenheit macht Diebe…

Wenn man also abnehmen will, dürfen Chips, Nüsschen, Schokolade oder dergleichen keinesfalls in Reichweite sein. Denn dieser überstarken Motivation aus leichter Verfügbarkeit und geringem Aufwand kann kaum jemand widerstehen.

Die Betrachtungen gingen von einer ausgeglichenen psychischen Lage aus. Sollte beim Beginn des Spaziergangs bereits ein Defizit an psychischer Energie und damit Unruhe und ein Stresszustand bestehen, wird der auftretende Hunger das vorhandene Defizit und damit den Stress noch verstärken. Der Wanderer wird zur Kompensation seiner psychischen Spannung viel früher auf den Baum steigen.

Ein ganz vorzüglicher Kletterer wiederum wird sich einen Spaß daraus machen, sich den Apfel zu holen, kaum dass er ihn erblickt hat. Seine Kletterkünste allein schon genügen, ihn zu motivieren, Hunger braucht er nicht dazu. Die Psycho-Mathematik gibt auch diese Konstellation gut wieder.

Wichtig ist eben die richtige Einschätzung einer Situation und der eigenen Fähigkeiten, aber auch der Zeitpunkt der Entscheidung selbst: Lässt man ein Bedürfnis zu stark anwachsen oder schiebt eine Anforderung zu lange hinaus, verfälscht der unter Stress geratene Algorithmus die Wahrnehmung so stark, dass man mit unrealistischen Erwartungen oder einer minderen Qualität seiner Bemühungen an die Dinge herangeht und womöglich Schiffbruch erleidet.

Winfried himmelt Anna an. Erst wagt er es nicht, sie anzusprechen. Dafür steigert er sich in sein Begehren hinein und eines Tages ergibt sich tatsächlich die lang ersehnte Gelegenheit, sie näher kennenzulernen. Die Gefahr ist groß, sie mit seinen unrealistischen Erwartungen zu überfordern.

Der Algorithmus der Psycho-Mathematik lässt sich auch auf andere Szenarien anwenden:

Mein amerikanischer Freund Ben erzählt mir stolz, dass er sich für 10 Dollar eine neue Bootslampe gekauft hat und das fast 3 Dollar billiger als im Store vom Segel-Club. Und wo? Ein bisschen außerhalb. Wie lange bist du gefahren? Na, so eine Stunde bis dort. What? Zwei ganze Stunden Fahrt für 3 Dollar billiger?

Das hätte sich doch nie und nimmer gerechnet, viel zu wenig Belohnung dabei. Aber nach zwei Drinks kam es ans Licht: Er genieße es, allein im Auto zu fahren, weil er sich da endlich entspannen und ungestört seine Lieblingsmusik hören könne. Und nach einem weiteren Drink, dass er in dem Laden vor Tagen eine hübsche Verkäuferin kennengelernt habe. Nun machen die drei Dollar echt Sinn…

Im Übrigen erlaubt es der Algorithmus, auch unterschiedlichste Einflussgrößen zu verarbeiten:

Ein junger Mann möchte seine neue Freundin näher kennenlernen und überlegt, sie ins Theater einzuladen. Dieses offene Bedürfnis senkt seinen Pegel. Aber die Hoffnung, Zeit mit ihr zu verbringen und ihr näher zu kommen, hebt als hoch eingeschätzte Belohnungserwartung den Pegel wieder kräftig an.

Die Karten sind teuer, er muss sich entsprechend kleiden und dieser Aufwand senkt seinen Pegel wieder. Aber er kann es sich leisten und schon ist der Pegel wieder oben. Er hat sich für die Einladung entschieden, holt sie ab und fährt mit ihr zum Theater.

Version 1: Er parkt in der Tiefgarage des Theaters: Kurze Wege trockenen Fußes, eine begeisternde Aufführung, beste Stimmung und eine rosarote Wolke umfängt die beiden. Alles erscheint möglich.

Version 2: Er hängt dem festen Grundsatz, eher der unumstößlichen Ideologie an, niemals da zu parken, wo es etwas kostet. Lieber ziehr er so lange Kreise in der Umgebung, bis er triumphierend einen kostenlosen Parkplatz findet. Fünf Minuten zu Fuß, es ist kühl und nieselt leicht. Das verträgt sich nicht mit Pumps und langem Abendkleid. Wegen einer Handvoll Euro bereits im Vorfeld alles ruiniert.

Ängste, zwanghafte Prinzipien oder festgefahrene Ideologien verfälschen eine realistische Motivationsberechnung. Wie soll der Algorithmus da eine bestmögliche Einschätzung liefern? Unter dem Zwang, Energie zu sparen, ist das Gehirn überfordert und muss vereinfachen, indem es Variable einfach ‚festzurrt‘. Das kann leicht zur Gewohnheit werden:

Ein gestresster Kommissar neigt dazu, sich zu früh auf einen Täter festzulegen.

Weniger Variable, weniger komplex das Ganze und einem ausgedünnten Gehirn eben noch zuzumuten.

Ideologien als Notanker sind Zeichen beschränkten Denkvermögens.

Willkürliche oder angstbedingte Prinzipien, vielleicht auch ganz einfach Geiz, Missgunst, Faulheit, Urängste oder was weiß ich, verhindern eine realistische Einschätzung von Aufwand und Chancen und deren Verhältnismäßigkeit und beeinträchtigen die Aussicht auf Erfolg.

Im professionellen Bereich, am Arbeitsplatz, ist Motivation, neben der fachlichen und sozialen Kompetenz des Arbeitenden für die Arbeitsleistung von entscheidender Bedeutung. Die ‚Belohnungserwartung‘ als stark bestimmende Einflussgröße errechnet sich hier nicht nur aus der Attraktivität eines Apfels, sondern setzt sich aus vielen Teilgrößen zusammen:

Positive Aspekte sind Bezahlung, Firmenwagen, Spielraum für eigene Entscheidungen, Aufstiegsmöglichkeiten, Ausstattung am Arbeitsplatz, Identifikation mit den Zielen der Firma oder auch Argumente wie eine sozial ausgewogene Firmenphilosophie, ganz praktische Angebote wie Kinderbetreuung, Parkplatz, Ruhe- und Fitnessräume, freier Kaffee, was auch immer.

Dagegen steht der Aufwand, z.B. der (lange) Weg zur Arbeit, die Belastung durch Stress, schlechte Führung, mangelnde Kommunikation oder fehlende soziale Einbindung und vieles mehr. Alle Argumente zusammen ergeben die Motivation, die der Arbeitende am Arbeitsplatz verspürt.

Ist die Motivation zu niedrig, fällt nicht nur die Arbeitsleistung an sich geringer aus, sondern auch deren Qualität. Kreative Leistung oder strategisches Denken ist dann nicht zu erwarten. Niedrige Motivation führt auch zu geringen psychischen Einkünften beim Arbeitenden selbst, lässt dessen psychischen Pegel sinken und zwingt ihn, diesen mit anderen psychischen Einkünften, z.B. sozialer Art in seiner Familie, einem Haustier, Reisen, Ausübung von Macht oder womit auch immer zu kompensieren.

Fazit: In der Praxis zeigt sich, dass es eine Vielzahl verschieden starker Einflüsse auf die Motivation gibt, die primären Argumente „Belohnungserwartung“ gegen „Aufwand“ jedoch die Hauptrolle spielen. Etwas besonders Attraktives lässt den Preis vergessen, ein bisschen Rabatt die Kaufmotivation sprunghaft ansteigen.

Ein niedriger Pegel an psychischer Energie führt im täglichen Leben zu einer entsprechend starken Vereinfachung der Realität und damit zu unrealistisch berechneter Motivation. Willkürliche, ideologische oder angstbedingte Festsetzungen machen aus einer realistischen Motivationsberechnung eher ein zweifelhaftes ‚Bauchgefühl‘ oder gleich ein Würfelspiel.

Eine persönliche KI könnte hier gute Dienste leisten, indem sie fälschende Einflüsse einer unter Stress stehenden menschlichen Software wie Ängste oder ideologische Beschränkungen offenlegt, bewusst macht und Fehleinschätzungen vorbeugt.

„Hör‘ mal“, würde die KI sagen, „die Theater-Karten haben 60 Euro gekostet, willst du wirklich wegen 4 Euro Parkgebühr den ganzen Abend ruinieren?“