20 Bewusstheit bei Tieren?

Inhalt: Warum haben sich, bei solch riesiger Anzahl an Lebensformen, die neuronalen Netze im Gehirn von Tieren nicht bis hin zu einem Bewusstsein entwickelt?

Da Gene nicht wie statische Speicherinhalte eines Computers zu betrachten sind, sondern ‚leben‘, indem sie ‚gewartet‘ und immer wieder kopiert und reproduziert werden müssen, werden sich zwangsläufig Kopierfehler einschleichen, ganz abgesehen von äußeren Störquellen wie z.B. ionisierende Strahlung oder chemische Einflüsse. Diese Mutationen codieren dann abweichende Proteine und Enzyme (Biokatalysatoren), die die gewohnten Abläufe stören, aber auch neue, vielleicht vorteilhafte Wirkungen ausüben können. Warum haben diese positiven Varianten nicht zu einer schnelleren Entwicklung geführt?

Nur dann sind Varianten von Wert, wenn sie das ‚tägliche Leben‘, d.h. Existenz und Fortpflanzung begünstigen und nicht unnötig Energie verbrauchen. Zudem gibt es Ansätze: Nüsse aus genügender Höhe auf die Straße fallen zu lassen um die harte Schale zu knacken, ist bei Krähen wohl schon Routine. Doch gibt es auch Verhaltensweisen bei Tieren, die aus dem Rahmen fallen und nachdenklich machen:

Gestatten, dies ist eine Szene an unserem Gartenteich aus dem Jahr 2020, von Vögeln gern zum Trinken und Baden aufgesucht. Und dies ist die Geschichte von ‚Miranda‘, einem Sperlingsweibchen mit besonderen Fähigkeiten:

Bequem auf unserer Terrasse sitzend schaute ich einem ganzen Pulk von Sperlingen zu, die wild um sich spritzend am Rand des Teichs badeten. Eben hatte ich mangels natürlich herumfliegender Insekten unseren Frosch ‚Willibald‘ gefüttert, indem ich ihm ein paar Mehlwürmer zugeworfen hatte.

Da löste sich aus dem Pulk ein Sperlingsweibchen und hüpfte näher und näher zu mir heran. Ich sprach sie an und meinte, sie sei aber ganz schön mutig. Sie kam aber weiter bis auf ungewöhnliche vier Schritt heran und blickte auffordernd zu mir hoch. Erst langsam dämmerte es mir, dass sie wohl die Fütterung des Froschs beobachtet haben musste, es hier um die Mehlwürmer ging und ‚Miranda‘, wie wir sie nannten, wohl den recht weitgehenden Gedanken hatte, dass ich die Mehlwürmer geworfen hatte.

Ich hieß sie zu warten, ging ins Haus, um weitere Würmer zu holen, während sie geduldig sitzen blieb. Vorsichtig warf ich so ein Dutzend der Würmer vor sie hin, sie selbst fraß keinen einzigen, drückte vielmehr die Würmer in der Mitte mit dem Schnabel platt, packte tatsächlich sieben davon in denselben und flog davon.

Nach wenigen Minuten kam sie zurück um weitere Würmer zu erbitten. Erbitten? In den nächsten Tagen ging das so weiter und wenn ich nicht früh genug zur Stelle war, flog sie an die Scheibe der Terrassentür, um auf sich aufmerksam zu machen.

Und draußen faul im Sessel sitzen, ging auch nicht. Dann flog Miranda mit voller Geschwindigkeit auf mich zu und bremste wirklich im allerletzten Augenblick vor meinem Gesicht so, dass ich den deutlichen Luftzug ihrer Flügel verspürte. Es half nur, schnellstens Mehlwürmer aus dem Keller zu holen und ihr anzubieten.

Mit der Zeit waren wir ein eingespieltes Team, denn sie musste wohl ihre Brut mit dieser so wertvollen Protein-Nahrung versorgen und solches duldete nun mal keinen Aufschub… Über viele Tage ging das so und Miranda wurde immer zutraulicher, setzte sich manchmal sogar auf die Lehne des anderen Gartenstuhls, fast noch in meiner Reichweite.

Bei keinem anderen Sperling konnte ich solches Ausnahme-Verhalten auch nur in Ansätzen beobachten. Zu meinem großen Bedauern erschien die süße Miranda nach dem Winter nicht wieder. Habe sie richtig vermisst…

Es ist nur ein einsames Beispiel, das aber zeigt, dass auch Tiere über ‚höhere Denkprozesse‘ verfügen können. Aber warum setzte sich solches nicht generell durch?

In der Natur hat sich ein dynamisches Gleichgewicht eingestellt, indem keine der vielen, durch sie geschaffenen Kreaturen die absolute Oberhand gewinnen kann um Anzahl und Ansprüche unbegrenzt auszudehnen.

Population zu groß, Anzahl der Raubtiere nimmt zu, Population auf zu engem Raum: Übertragung von Krankheiten wird wahrscheinlicher.

Das Leben eines wilden Tieres spielt sich in einem engen Korridor zwischen Fressen und selbst Gefressen werden ab. Die Vermehrung des obersten Raubtiers wird wiederum durch die Menge seiner ihm verfügbaren Beute begrenzt.

Dies bedeutet, dass jedes Tier höchste Intelligenz und Reaktionsgeschwindigkeit für alle denkbaren Szenarien innerhalb seines Korridors entwickeln muss, um überhaupt überleben zu können.

Es befindet sich im Dauerstress zwischen Nahrungsmangel und Bedrohung durch Raubtiere. Sein Überlebensvorteil besteht im blitzschnellen Erfassen einer Situation und einer ebenso schnellen Entscheidung für das weitere Verhalten, z.B. Kampf oder Flucht:

Nur einen winzigen Augenblick gezögert und es ist vorbei.

Langsames und auch noch höchst energiefressendes Denken kann sich ein wild lebendes Tier nicht leisten. Solches hätte nur Nachteile gebracht und wäre im Grenzfall tödlich gewesen.

Blitzschnelles Erfassen und Reagieren können neuronale Netze nur leisten, wenn sie dicht gepackt sind mit kurzen Signalwegen, möglichst fest verschaltet und hoch effizient in ihren Algorithmen.

So lange ein Lebewesen gezwungen ist, seine Existenz in einem oft sehr engen Korridor zwischen Hunger und Gefressen werden zu bestreiten, wird es sich nach Qualität und Schnelligkeit in Wahrnehmung und passender Reaktion optimieren müssen und dies ist nur mit schnellen und zugleich energiesparenden ‚unteren Schichten‘ zu realisieren.

Und Miranda? Ihr Beispiel zeigt zumindest, dass bei ihr Ansätze übergeordneter, bei anderen Sperlingen nicht vorhandener neuronaler Netze präsent waren, die ihr erlaubten, einen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Mehlwürmern und mir als deren Quelle herzustellen.

Bei der immensen Streuung in der Belegung von Gehirnen mit neuronalen Netzen und der Aktivität deren Schichten ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass immer wieder Exemplare mit erhöhter mentaler Ausstattung das Licht der Welt erblicken, doch von einer gnadenlosen Natur schnell in die Schranken gewiesen werden. Ich hätte die zutrauliche Miranda schließlich auch als ‚Beute‘ betrachten können.

Von altbewährten und tief implementierten Verhaltensweisen abzuweichen ist für ein Tier einfach mit zu großen Risiken behaftet.